Materielle Kultur
Häuser und Gehöfte
Die mennonitische Konfession hatte keinen wesentlichen Einfluss auf die Architektur der von Mennoniten bewohnten Häuser und Gehöfte. Sie wurde vor allem durch die spezifischen Umweltbedingungen und Muster beeinflusst, die sich im 16. bis 18. Jahrhundert auf dem Großen Werder und in der unteren Weichselniederung durch das Verschmelzen deutscher, niederländischer und pommerscher Einflüsse ausbreiteten. Die wohlhabenderen Mennoniten, die auf dem Land lebten und größere Höfe besaßen, bewohnten für die Hauländer aus dem Weichselgebiet typische Eindachhöfe, in denen sich unter einem Dach der Wohn-, Stall- (Pferde- und Schweinestall) und der Speicherbereich (Scheune) befanden. Die Gebäude dieses Typs, die in der Regel aus Holz gefertigt waren, zeichneten sich durch ihre Größe aus - ihre Länge erreichte bis zu 60 m. Einige Gehöfte waren winkel- (L-Plan) oder kreuzförmig (T-Plan). Einige der Gehöfte hatten ein zusätzliches architektonisches Element in Form einer Vorlaube oder eines Anbaus. Der Wohnbereich war in der Regel in der für die meisten vor der Mitte des 19. Jahrhunderts gebauten Hauländer-Häuser charakteristischen Weise in Räume geteilt. Die Durchgangsdiele, die von der Eingangstür zur Tür im hinteren Teil des Hauses führte, ermöglichte die Verbindung mit anderen Räumen und den Zugang zu dem großen gemauerten Schornstein in der Mitte des Hauses, in dem sich die „schwarze Küche“ befand. Zwischen dem Flur und dem nächstgelegenen Giebel befanden sich in der Regel zwei beheizte Räume. Der größere der beiden Räume, der näher am Haupteingang lag, wurde als „große“ oder „gute“ Stube bezeichnet und diente als repräsentativer Raum, der sich durch Wanddekoration, reiche Möblierung, dekorative Tür- und Fenstervertäfelungen auszeichnete. Die zweite, kleinere Kammer, die sich im hinteren Teil befand, war der eigentliche Ort der täglichen Arbeit und des Aufenthalts eines Teils der Familie, insbesondere der Frauen. Daneben gab es oft eine Eckkammer mit einem separaten Eingang vom Garten aus. In einigen Häusern dienten auch die Räume auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs, die direkt an den Wirtschaftsbereich angrenzten, als Wohnräume. Sie wurden in der Regel von Knechten oder Dienstjungen- und mädchen bewohnt, die auf dem Hof beschäftigt waren. Der Dachboden des Gehöfts wurde als Lagerraum genutzt, aber in Zeiten von Überschwemmungen diente er oft als provisorische Unterkunft für die Haushaltsmitglieder und ihr Habe.
Derartige Gehöfte, die einst in den von Mennoniten bewohnten Gebieten üblich waren, begannen ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu verschwinden oder wurden stark verändert. Ihre Zahl nimmt ständig ab, aber gleichzeitig entstehen neue Orte, an denen historische Hauländer-Häuser (unter ihnen auch mennonitische Häuser) einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dazu gehören der Park der Ethnografie der Hauländer (Olenderski Park Etnograficzny) in Groß Nessau (Wielka Nieszawka) in Kujawien, das Freilichtmuseum der Siedlung in der Weichselsiedlung in Gensemin (Wiączemin Polski) in Masowien, das Hauländergehöft in Christfelde (Chrystkowo) bei Schwetz (Świecie) sowie die Vorlaubenhäuser in Petershagen (Żelichowo) und Fürstenwerder (Żuławki) auf dem Großen Werder, die von privaten Eigentümern unterhalten werden.
Möbel
Charakteristisch für die mennonitischen Möbel sind: Flechttruhen, Wiegen, Flechtstühle und Schränke. Flechttruhen, die zur Aufbewahrung von Kleidern dienten, hatten verschiedene Formen und Ausprägungen. Reiche Bauern aus dem Weichseldelta besaßen Exemplare aus Eschenholz mit Intarsien aus dunklem Holz. Die Ärmeren bestellten Truhen, die mit Profilleisten verziert und an den Ecken mit profilierten Balustern geschlossen waren. Diese Truhen waren mit floralen oder geometrischen Verzierungen bemalt. Die Verzierung der Truhen unterschied sich nicht von den Mustern, die in den lokalen kleinstädtischen Werkstätten verwendet wurden.
Flechtstühle sind charakteristisch für die mennonitische Sachkultur. Sie beziehen sich auf die Tradition der niederländischen Möbelherstellung des 16. und 17. Jahrhunderts. Sie bestehen aus gedrechselten oder gehobelten Elementen, die mit einer aus Stroh geflochtenen Sitzfläche durch Nuten verbunden sind. Das charakteristische Zierelement ist die obere Platte der Rückenlehne, die reich mit Reliefelementen in Form von Blumen, Pferden oder geometrischen Mustern verziert ist. In der Regel wurde das Baujahr des Stuhls in der Mitte dieser Platte angebracht. Diesen Stühlen wird die Funktion eines Hochzeitsgeschenks für die Braut zugeschrieben. Davon soll die in das Brett der Rückenlehne geschnitzte Dekoration zeugen, bei der Adam und Eva zu beiden Seiten des Lebensbaumes stehen, auf dem zwei Vögel sitzen und eine Schlange sich um einen Zweig windet und Eva, die nach einem Apfel greift, ins Ohr flüstert. Die großen Blumen zu beiden Seiten der Figuren sind Nelken, ein altes Symbol der Liebe, ebenso wie die beiden großen Tauben.
Ein interessantes Produkt der mennonitischen Tischlerei sind Wiegen. Sie haben eine einheitliche Form und Konstruktion. Es handelt sich um einen Kasten, der durch einen Schwalbenschwanz mit den Seitenbrettern, die oben eine halbkreisförmige Kopfstütze haben, und unten mit Kufen verbunden ist. Die Wiegen wurden ähnlich wie die Truhen mit marmorierten, floralen oder geometrischen Zierelementen bemalt. Die mennonitischen Wiegen ähneln denjenigen, die von den Handwerkern der Kleinstädte für die kaschubischen und masowischen Dörfer hergestellt wurden.
Schränke zur Aufbewahrung von Kleidung oder Wäsche haben sich in ihrer Technik und Dekoration aus Flechttruhen entwickelt. Darauf weisen die Technik der Verbindung der Bretter mit einer Nut und die Verzierung in Form von Intarsien bei den Schränken der reichen Bauern und in Form von Malereien bei den ärmeren Besitzern hin. Die Verzierungen bestehen aus floralen und geometrischen Formen und Marmorierungen auf den Oberseiten. Ähnlich wie bei der Konstruktion von Truhen passten ihre Schöpfer für ihre Werken Formen an, die auf das französische Empire oder das Biedermeier verweisen. Die mennonitischen Künstler bezogen sich auf Formen, die von kleinstädtischen Schreinerwerkstätten in Massenproduktion hergestellt wurden. Verglaste Anrichten, die wie Kleiderschränke dekoriert waren, erscheinen ebenfalls in der mennonitischen Hausausstattung.
Kirchen
Trotz der zahlreichen Privilegien, die die seit dem 16. Jahrhundert in der Republik Polen lebenden Mennoniten genossen, konnten sie fast zwei Jahrhunderte lang offiziell keine eigenen Kirchen haben. Damals wurden die Gottesdienste im Verborgenen abgehalten, in für gottesdienstliche Zwecke hergerichteten Häusern, Schulen oder Scheunen. Dies waren die so genannten „versteckten Kirchen“. Die erste von ihnen soll bereits 1568 in Montau (Mątowy) gegründet worden sein, doch sind diese Angaben mit großer Vorsicht zu betrachten, da diese Überlieferung in den Quellen nicht bestätigt wird. Im Jahr 1590 wurde in Elbing (Elbląg) ein Gebetshaus in einem zu diesem Zweck umgebauten Stadthaus in der heutigen Straße ul. Garbary eröffnet. In den folgenden Jahren wurden in den Danziger Vorstadtsiedlungen Neugarten (Nowe Ogrody) (1638) und Petershagen (Zaroślak) (1648) Kirchen errichtet. Über die ersten mennonitischen Kirchen auf dem Großen Werder haben wir nur wenige Informationen.
Im 18. Jahrhundert begannen die Bischöfe von Kulm (Chełmno) allmählich, den auf dem Großen Werder lebenden Mennoniten Privilegien zu gewähren, aufgrund derer sie ihre eigenen Kirchen und Friedhöfe haben durften. Im Jahr 1728 erteilte Bischof Ignacy Kretkowski die Erlaubnis, mennonitische Gebetshäuser in Tragheimerweide (Barcice) und Thiensdorf (Jeziorze) zu errichten. Im Jahr 1751 wurde in Orlofferfelde (Orłowski Pole) ein hölzernes Gebetshaus errichtet, 1768 entstanden die Gotteshäuser in Ladekopp (Lubieszewo) (heute auf dem Gebiet des Dorfes Neuteichsdorf [Stawiec]), Heubuden (Stogi Malborskie), Tiegenhagen/Petershagen (Cyganek/Żelichowo) und Bärwalde (Niedźwiedzica). Auch außerhalb des Großen Werders wurden Holzkirchen errichtet, z. B. in in Schönsee (Sosnówka) bei Graudenz (Grudziądz).
Was das Aussehen der ersten mennonitischen Gebetshäuser betrifft, so standen ihre Form und ihre Innenausstattung im Gegensatz zur Ästhetik der römisch-katholischen Gotteshäuser. Sie wurden in einer von der jeweiligen Gemeinde bestimmten Form errichtet, da es keinen verbindlichen Kanon gab. Das Gebetshaus wurde aus Holz in einer einfachen Konstruktion mit großen Fenstern gebaut und in je einen Teil für die Gemeindeältesten und die Mitglieder der Gemeinde unterteilt. Die Ältesten saßen hinter einem Tisch auf einer Bank, die an der Wand stand, und blickten zu den Gläubigen, die ihnen gegenübersaßen. Einige Gebetshäuser waren mit einem Predigtstuhl ausgestattet, der neben der Bank stand, oder mit einer Kanzel. Frauen und Männer hatten getrennte Plätze in der Kirche. In einigen Kirchen saßen die Frauen auf in einem höheren Stockgewerk gelegenen Emporen.
Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts ist bei einigen mennonitischen Gemeinden eine Abkehr von der Strenge bei den äußeren Formen und im Innenraum der Kirchen zu beobachten. In den Gebetshäusern in Pordenau (Porendowo) und Bärwalde (Niedźwiedzica) erschienen die aus den protestantischen Kirchen bekannten „Inschriften-Epitaphien“ und im Gotteshaus in Neugarten (Nowe Ogrody) eine Orgel. Die 1819 erbaute mennonitische Kirche in Danzig (Gdańsk) wies dagegen viele klassizistische Elemente auf. Noch größere Veränderungen im Erscheinungsbild der mennonitischen Kirchen gab es seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neben den damals errichteten Holzkirchen in Klein Nessau (Mała Nieszawka) (1890) bei Thorn (Toruń) oder in Deutsch Kazun (Kazuń Nowy) (1892) in Masowien entstanden neugotische Backsteinkirchen in Preußisch Rosengart (Rozgart) (1890), Elbing (Elbląg) (1900), Thiensdorf (Jezioro) (1865) oder Tiegenhagen/Petershagen (Cyganek/Żelichowo (1893). Ihr Aussehen unterschied sich nicht wesentlich von den ländlichen Sakralbauten, die sowohl von Katholiken als auch von Protestanten errichtet wurden. Sie waren ein Ausdruck der zunehmenden Assimilation der Mennoniten.
Heute ist auf dem Gebiet des Großen Werders keines der hölzernen Gebetshäuser der Mennoniten erhalten geblieben. Die letzte Holzkirche, die der Gemeinde in Bärwalde (Niedźwiedzica) gehörte, brannte in den 1990er Jahren ab. Die Backsteinkirchen in Preußisch Rosengart, Thiensdorf und Elbing bestehen jedoch noch. In der letztgenannten Stadt ist ein Stadthaus, in dem die Mennoniten seit dem Ende des 16. Jh. ihre Gottesdienste abhielten, bis heute erhalten geblieben. Ähnlich verhält es sich mit den mennonitischen Kirchen in anderen Regionen Polens. Unter den Kirchen, die bis heute existieren sind die Gebetshäuser in Montau (Mątowy) (neogotisch umgebaut), Klein Nessau, Deutsch Kazun und das in der heutigen Wojewodschaft Lebus gelegene Franzthal (Głęboczek).